Die Inflation ist zurück. Was tun?

Die Inflation ist zurück. Was tun?

Haufe Immobilien

12.01.2022

von Norbert Jumpertz, Staig

Immobilieninvestments gelten als hervorragender Inflationsschutz. Die anziehende Teuerungsrate beunruhigt derzeit nur wenige in der Immobilienbranche. Viele sehen sie sogar als stützenden Impuls für den Immobilien-Dauerboom. Ist solch ein Optimismus berechtigt?

An den Immobilienmärkten sind steigende Preise eine Normalität, an die man sich in den vergangenen Jahren gewöhnt hat. Dass nun die Verbraucherpreise so stark in Bewegung geraten, wie es in den letzten Monaten zu beobachten war, ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Im Oktober 2021schnellte die Teuerungsrate in Deutschland auf 4,5 Prozent hoch. Das ist der größte Sprung seit August 1993. Im Euroraum liegt sie mit 4,1 Prozent gleichfalls weit über dem Zielkorridor der Europäischen Zentralbank (EZB) mit „um die“ zwei Prozent.

Die Deutsche Bundesbank (DBB) prognostiziert sogar, dass sich das Inflationstempo weiter beschleunigt. „Meine Fachleute erwarten zum Jahresende Raten, die in Richtung fünf Prozent gehen könnten“, hatte DBB-Präsident Jens Weidmann bereits im Juli diesen Jahres signalisiert. Im nächsten Jahr werde sich die Dynamik aber deutlich abflachen, so die DBB. Sie verweist darauf, dass vor allem Basiseffekte schuld an der aktuell recht hohen Inflationsrate seien. Damit ist gemeint, dass etwa das Anziehen der Energiepreise deshalb so extrem erscheint, weil sie zuvor, also während des Lockdowns, drastisch eingebrochen waren. Ähnlich verhält es sich mit der Mehrwertsteuer, die zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher 2020 vorübergehend gesenkt worden war. Anfang dieses Jahres wurde sie wieder aufs alte Niveau angehoben, was ebenfalls die Inflationsrate nach oben zieht.

Entscheidend ist die Frage, ob Löhne und Gehälter infolge der Inflation steigen

Diese Basiseffekte spielen im Jahr 2022 keine Rolle mehr. Trotzdem rechnen die Frankfurter Währungshüter nicht damit, dass die Teuerungsrate schnell wieder unter die Zwei-Prozent-Marke fällt. Da sind Lieferengpässe – wie der Chipmangel in der Autoindustrie – sowie Störungen in den weltweiten Lieferketten infolge der Corona-Krise, die womöglich nicht so schnell überwunden werden können wie erhofft.

„Entscheidend ist die Frage, ob Löhne und Gehälter infolge der Inflation steigen und sie so noch mehr antreiben“, stellt Christian Keller, Chefvolkswirt der Barclays Bank, fest. Hierzu müsste es zu höheren Inflationserwartungen und infolgedessen zu kräftigen Lohnzuwächsen kommen. Inzwischen laufen die ersten Tarifverhandlungen. Mit Interesse dürften in der Immobilienbranche die jüngsten Lohn- und Gehaltsverhandlungen in der Baubranche mitverfolgt worden sein. Der Tarifabschluss sieht für die knapp 900.000 Beschäftigten im Baugewerbe in Westdeutschland ein Einkommensplus von 6,2 Prozent und Einmalzahlungen von 1.350 Euro (samt Corona Prämie) vor sowie in Ostdeutschland von 8,5 Prozent und eine Corona-Prämie von 220 Euro. Die Tariferhöhung verteilt sich auf drei Jahre.

Zum Auslösen einer Lohn-Preis-Spirale dürfte das zu wenig sein. Dennoch macht der Baubranche ein wachsender Kostendruck zu schaffen, der bereits vor der Corona-Pandemie spürbar war.

„Dass Immobilien generell einen Inflationsschutz gewährleisten, stimmt nicht“, gibt Matthias Pink, Head of Research des Immobiliendienstleisters Savills, zu bedenken. Neben der Ertragsseite sollte bei Immobilieninvestments auch die Kostensituation mit bedacht werden. Für bedenklich hält er, dass sich die Auslastung in der Baubranche – mit einer Auslastungsquote von 80 bis 85 Prozent – an der Kapazitätsgrenze bewege. Corona-bedingt gestörte Lieferketten und daraus resultierende Materialengpässe seien nur extreme Auswüchse einer seit Jahren zu beobachtenden Entwicklung, konstatiert er. So zogen die Erzeugerpreise für Betonstahl in Stäben innerhalb eines Jahres dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie zufolge um über 80 Prozent an, für Bitumen um gut 35 Prozent und für Kupfer um mehr als 25 Prozent. Das spüren Projektentwickler besonders. „Vor der Corona-Pandemie waren Forward Deals bei nicht spekulativen Projektentwicklungen üblich“, erinnert sich Michael Peter, Gründer und CEO der mittelständischen Immobiliengesellschaft P&P Group (siehe Interview Seite 21). Den Erwerb neuer Immobilien mit Festpreisen mehrere Jahre im Voraus kalkulieren zu können, sei bei Immobilieninvestoren äußerst beliebt. Aber aktuell seien Forward Deals wegen der extremen Preisschübe nicht seriös kalkulierbar, so der Branchenkenner. Bei Betonstahl und vielen anderen Baustoffen wird seit Monaten zu Tagespreisen abgerechnet, mitunter ist – wie bei Bauholz – wochenlang gar kein Material erhältlich.

Bis September sammelten offene Immobilien-Publikumsfonds über 4,5 Milliarden Euro ein

Peter befürchtet, dass sich bei weiter steigendem Preisdruck irgendwann die Kosten nicht mehr problemlos auf Kaufpreise und Mieten überwälzen lassen. Diese Einschätzung stößt auf Widerspruch: Gerade bei gewerblichen Immobilien seien keine Probleme zu erwarten, selbst wenn sich die Teuerungsrate in Deutschland auf einem höheren Level bewegen sollte, ist Prof. Felix Schindler, Head of Research der HIH Invest Real Estate, überzeugt. Es gebe in der Breite kein Nachfrageproblem, und die Dynamik der Preisentwicklung werde sich auch im Baubereich nächstes Jahr abschwächen, prognostiziert Schindler. Die Risikoprämie für Immobilieninvestments gegenüber Bundesanleihen befindet sich nach seiner Analyse auf einem historisch hohen Niveau von über 250 Basispunkten, also 2,5 Prozentpunkten.

Diese Sichtweise teilen viele in der Branche. „Obwohl die Rendite offener Immobilienfonds mit im Schnitt 1,5 bis 2,0 Prozent aktuell zum Ausgleich des Kaufkraftverlusts zu mager ist, sind sie gefragt“, sagt Sonja Knorr, Leiterin der Immobilienfondsanalyse bei Scope Analysis. In den ersten neun Monaten dieses Jahres sammelten offene Immobilien-Publikumsfonds über 4,5 Milliarden Euro bei Anlegern ein. Das zeige, dass für sicherheitsorientierte Investoren Immobilieninvestments die erste Wahl blieben, stellt auch Ulrich Steinmetz, Leiter Portfoliomanagement Immobilien-Publikumsfonds der DWS, fest.

Stark steigende Kosten sind nicht unproblematisch. Aber wegen der Indexierung vieler Mietverträge gewerblicher Immobilien lassen sie sich meist, wenn auch zeitverzögert, abfedern. „Je nach Vertragsgestaltung kann die Miete oft erst ein Jahr später angehoben werden, und mitunter nicht komplett, sondern nur zu 80 Prozent“, sagt Mario Schüttauf, Manager des Immobilien-Publikumsfonds Hausinvest der Commerz Real. Beim Hausinvest sind die Verträge von rund 60 Prozent des Immobilienbestandes inflationsindexiert.

Indexierte Mietverträge hält Bestandshalter Hamborner REIT – Investmentfokus: Büro- und Einzelhandelsobjekte (Immobilienvermögen: 1,5 Milliarden Euro) – ebenfalls für vorteilhaft. „Wovon wir sicher auch profitieren, sind die niedrigen Zinsen“, betont Niclas Karoff, Vorstandschef der Hamborner REIT. Daran dürfte sich in den nächsten beiden Jahren kaum etwas ändern. „Anders als die amerikanische Notenbank dürfte die EZB weder die Anleihenkäufe reduzieren noch die Zinsen erhöhen, da sie bei ihren Entscheidungen die gesamte Eurozone im Visier hat und nicht allein Deutschland“, sagt Professor Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg.

Das günstige Refinanzierungsumfeld wird verstärkt für Investments genutzt. „Gefragt sind Objekte in guter Lage mit nachhaltigem Cashflow“, hat Jörg Quentin, Leiter Immobilienanalyse der Deutschen Pfandbriefbank, beobachtet. Die findet Transaktionsmanager Skjerven Group in Berlin. „Trotz rigider Regulierung gibt es lukrative Optionen, etwa bei Umwandlungen von Hotels in Wohnungen“, sagt Geschäftsführer Einar Skjerven. „Wir drehen Bestände schnell, weshalb wir mit explodierenden Baukosten gut zurechtkommen.“

Reinen Bestandshaltern setzt hingegen zu, dass in vielen Marktsegmenten die Mieten stagnieren und Gebäude schneller altern. „So schmälert die stetige Optimierung der Energieeffizienz die Rendite von Gebäuden“, gibt Professor Thomas Beyerle, Geschäftsführer von Catella Property, zu bedenken. Deswegen kauft Catella für Fonds zunehmend bevorzugt Top-Immobilien mit Nachhaltigkeitszertifikat in bester Lage. Aufgrund der niedrigen Zinsen lassen sich noch die stark gefallenen Renditen vieler Immobilieninvestments mit wohldosiertem Fremdkapitaleinsatz auf ein ganz akzeptables Niveau hieven.

Das günstige Refinanzierungsumfeld wird verstärkt für Immobilieninvestments genutzt

Aber die heile Zinswelt könnte bald ins Wanken geraten. Für gefährlich hält Finanzierungsexperte Quentin weniger eine Zinswende in den USA als anhaltend stärker steigende Verbraucherpreise: „Eine Inflationsrate von 2,5 bis 3,0 Prozent würde wahrscheinlich keine Zinsreaktion der EZB provozieren.“ Jenseits dieser Marke werde die Luft allerdings dünn.

Bereits eine Senkung der Anleihenkäufe könnte dazu führen, dass die noch negative Rendite zehnjähriger Bundesanleihen schnell ins Positive dreht. Sollte sich der gegenwärtig sehr hohe Renditeabstand von Immobilienanlagen gegenüber Bundesanleihen deutlich verringern, dürften das die Immobilienmärkte (negativ) zu spüren bekommen.

 

INTERVIEW MIT MICHAEL PETER

 

„So eklatante Preissprünge habe ich in den letzten 30 Jahren nicht gesehen“

Noch kräftiger als die Verbraucherpreise steigen in der Baubranche die Kosten. Michael Peter, Gründer und CEO der mittelständischen Immobiliengesellschaft P&P Group, erläutert, warum er die Entwicklung der Verbraucherpreise für recht bedenklich hält.

Herr Peter, steigende Verbraucherpreise werden von vielen in der Immobilienwirtschaft nicht als problematisch gesehen, weil das die Nachfrage nach Immobilien noch stärker stimulieren könnte. Sind Sie auch so positiv gestimmt?

Ich kann das nicht nachvollziehen. Meine große Sorge ist, dass die Notenbanken womöglich die Kontrolle über die Preisentwicklung verlieren. Eine gewisse Inflation ist für uns ja vorteilhaft, aber keine hohe. Denn die Zentralbanken wären dann wohl gezwungen, mit massiven Zinserhöhungen gegenzusteuern.

Warum sind Sie so pessimistisch?

Vor der Corona-Pandemie hat sich die Rohbauerstellung um acht bis zwölf Prozent pro Jahr verteuert. Doch so eklatante Kostensprünge wie jetzt habe ich in den letzten 30 Jahren noch nicht gesehen. Die Aufschläge betragen 30 bis 40 Prozent. Für Stahlbeton, aber auch Kunststoffe wie PCB gehen die Preise durch die Decke. Es ist nicht erkennbar, dass sich das bald ändert. Deshalb lassen sich Projekte immer schwerer kalkulieren.

Neue, gut ausgestattete Immobilien in attraktiven Lagen sind knapp. Wo sehen Sie die Risiken?

Die Situation ist heute anders als vor fünf oder zehn Jahren. Die Preise sind seitdem kräftig gestiegen. Es gibt Sättigungstendenzen. Es ist nicht endlos möglich, stark steigende Kosten über höhere Preise und Mieten zu kompensieren.

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