
19 Nov Gekappte KfW-Förderung: Was Bauträger jetzt tun müssen
19.11.2021,
Handelsblatt Inside – REAL ESTATE
WOHNUNGSBAU:
Gekappte KfW-Förderung: Was Bauträger jetzt tun müssen
Von: Nicolas Katzung
Vom Wegfall der KfW-55-Förderung wurden viele Bauträger überrascht. Experten befürchten, dass der Vertrieb einiger Bauprojekte ins Stocken geraten könnte und Liquiditätsengpässe drohen.
Ab Februar 2022 wird es für den Wohnungsbau weniger Fördermöglichkeiten geben. Die Bundesregierung streicht die Förderklasse KfW-Effizienzhaus 55 samt der dazugehörigen Programme Erneuerbare Energien (EE) und Nachhaltigkeit (NH) aus der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Der Schwerpunkt soll künftig auf der Sanierung statt dem Neubau liegen. Dadurch würden höhere Treibhausgaseinsparungen erzielt, begründet das Bundeswirtschaftsministerium die Entscheidung.
Durch den Wegfall der KfW-55-Förderung haben Bauträger, die ihre Projekte in den kommenden Tagen und Wochen in die Vermarktung geben wollen, ein wichtiges Verkaufsargument weniger: Die staatliche Förderung gibt es nur noch für kurze Zeit. Verbände und Bauexperten warnen vor den Folgen der Fördermittelbeschränkung. Das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, werde dadurch konterkariert.
Die Auswirkungen der Mittelkürzung könnten nach Ansicht von Jens Rautenberg, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters Conversio, dramatisch sein: „Bis Mitte Januar werden die Wohnungen schnell weggehen, aber dann wird es einen brutalen Vertriebsabriss geben.“ Für die betroffenen Bauträger sei das eine gefährliche Situation, da sie „in einem halbverkauften Projekt erst mal feststecken werden“.
Mit den verschiedenen KfW-Programmen werden der Bau und die Sanierung von energieeffizienten Gebäuden unterstützt. Je niedriger der Energieverbrauch der fertiggestellten Immobilien ist, desto höher fällt die staatliche Förderung in Form von Krediten und Tilgungs- beziehungsweise Barzuschüssen aus. Gefördert werden neben Wohnhäusern auch Gewerbeimmobilien.
Insbesondere bei großen Vorhaben kann der Wegfall der Förderung zu empfindlichen Rentabilitätseinbußen bei den Wohnungsbauern führen. Das Beratungsunternehmen REM Capital beziffert die Maximalförderung für ein Effizienzhaus 55 auf 5,25 Millionen Euro. Angesichts der rasant gestiegenen Baukosten hätten viele Bauträger die Zuschüsse fest eingeplant.
Der Eigentümerverband Haus & Grund befürchtet, dass das kurzfristige Aus der 55er-Förderung nicht nur Bauträger, sondern auch Bauherren in finanzielle Nöte bringen könnte. Schließlich hätten auch sie fest mit der Förderung gerechnet und in ihre Finanzierung einbezogen.
Viele Bauträger wurden vom plötzlichen Ende der Förderung überrascht. Der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), in dem viele Bauträger und Projektentwickler organisiert sind, weist auf die kurze Übergangsfrist bis Ende Januar 2021 hin. „Das macht es unseren Mitgliedsunternehmen schwer, sich auf den Wegfall der Förderung einzustellen“, sagt BFW- Vorstandsmitglied Dirk Salewski.
Grundsätzlich haben die Bauträger mehrere Optionen: Sie können ihre Bauprojekte auf die höhere Effizienzklasse KfW 40 umplanen und somit höhere Fördermittel abgreifen. Sie können ihre Projekte alternativ weiterhin nach KfW-55-Standard bauen und ohne Förderung verkaufen oder sie bauen weniger energieeffiziente Häuser nach KfW-70-Standard, was dem gesetzlichen Mindeststandard entspricht.
Laut BFW bleibt den Bauträgern allerdings kaum eine andere Wahl, als sich für das gesetzliche Minimum zu entscheiden. Eine Umplanung auf den höheren Standard KfW 40 werde sich für die meisten Bauträger nicht lohnen, da dies mit deutlich höheren Kosten verbunden wäre, die durch die Förderung nicht kompensiert würden. So müssten beispielsweise dickere Außenwände verbaut wurden, was zulasten der Wohnfläche ginge. „In den meisten Fällen wird es unmöglich sein, laufende Projekte auf den höheren Standard KfW 40 umzuplanen. Um wirtschaftlich tragfähig zu bauen, bleibt am Ende nur der gesetzliche Mindeststandard.“
Berater Rautenberg empfiehlt Bauträgern, die ihre Projekte fertig geplant haben und dieser Tage in den Vertrieb geben wollten, die Förderung bei der KfW selbst zu beantragen. „Die meisten Bauträger überlassen das den Wohnungskäufern und nutzen es als Verkaufsargument“, weiß Rautenberg. Um die Förderung zu „konservieren“, sollten die Unternehmen ihre Strategie ändern. „Das funktioniert aber nur bei den Projekten, bei denen der Vorhabensbeginn noch nicht erfolgt ist. Wo bereits gebaggert wird und mit dem Vertrieb begonnen wurde, können die Bauträger nur eines tun: Vollgas geben beim Marketing.“
Für die in Planung befindlichen Bauprojekte sollten die Unternehmen genau prüfen, ob eine Anpassung Richtung KfW 40 sinnvoll sei oder ob sich die Wohnungen auch ohne Förderung verkaufen ließen. „Bei begehrten Grundstücken sollte das klappen. Wenn es sich aber um eine Randlage in einer B- oder C-Stadt handelt und es keine Förderung gibt, dann werden Bauträger ein echtes Vertriebsproblem haben“, erläutert Rautenberg.
Der Schwenk von KfW 55 auf KfW 40 wiederum könnte in solchen Fällen aufgrund der höheren Kosten ebenfalls problematisch werden. „Ich schätze, dass die Mehrkosten locker zehn Prozent betragen. Zusammen mit den explodierenden Baustoffpreisen ist das eine ungünstige Kombination“, sagt der Experte. Dennoch rechnet er damit, dass die „Karawane in Richtung KfW-40-Standard ziehen wird, weil sie von der Politik dazu gezwungen wird. Die Wohnungspreise werden also weiter steigen.“
Davon ist letztlich auch Michael Peter, Gründer und CEO des Immobilieninvestors und Entwicklers P&P Group, überzeugt. „Durch den Wegfall der KfW-55-Förderung wird das Angebot an solchen gleichermaßen nachhaltigen und bezahlbaren Wohnungen zurückgehen, was bei gleicher Nachfrage zwangsläufig zu steigenden Preisen führen wird.“
Nach Einschätzung von Jan Bewarder, Vorstandsmitglied von REM Capital, war die Förderung von Häusern der Effizienzklasse 55 oftmals ein „Mitnahmeeffekt“, den sich Bauträger und Erwerber quasi geteilt hätten. „Der Bauträger konnte aufgrund der Förderung einen höheren Preis rechtfertigen und hat damit indirekt einen Teil der Förderung erhalten. Die Frage ist, ob es nun eine Umkehrreaktion gibt.“
Wie Rautenberg geht auch Bewarder davon aus, dass mit der neuen Regierung die energetischen Mindestanforderungen angepasst und damit verschärft werden. „Dies führt zwar zu energetisch besseren Neubauten, erschwert jedoch die Schaffung von günstigem und bezahlbarem Wohnraum.“
Das politische Signal, das von der Streichung der KfW-55-Förderung ausgeht, bezeichnet Axel Gedaschko als „verstörend“. Der Präsident des Wohnungsverbands GdW vermisst „eine klare Linie“ bei den Verantwortlichen in der Regierung. „Das ist schon eine sehr spezielle Form des Subventionsabbaus, die allerdings beim Neubau für viele Mieter in Form unbezahlbarer Mieten ankommt“, sagte Gedaschko beim Tag der Wohnungswirtschaft zu Beginn dieser Woche.
Die Koalitionäre müssten sich entscheiden, wie sie es mit der Vereinbarkeit von Klimaschutz und dem sozialen Ziel des bezahlbaren Wohnens halten. „Das ist der erste harte Lackmustest.“
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