
18 Mrz Investoren buhlen um die besten Gründer
Handelsblatt Inside, Real Estate
18.03.2022
Investoren buhlen um die besten Gründer
2022 dürften Immobilien-Start-ups deutlich mehr Kapital als im Rekordjahr 2021 einsammeln. Sie erwarten von ihren Kapitalgebern mittlerweile einen strategischen Mehrwert, wie ein Branchenexperte berichtet.
Proptechs schwimmen auf der Erfolgswelle: Nachdem die Immobilien-Start-ups 2021 beim eingeworbenen Kapital alle Rekorde gebrochen haben, dürfte 2022 noch besser werden. Nach 666 Millionen Euro im gesamten vergangenen Jahr haben sie in den ersten acht Wochen dieses Jahres bereits 550 Millionen Euro eingeworben.
Diese Zahlen hat Blackprintpartners ermittelt. Für Sarah Schlesinger, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens für die Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche, sind sie ein deutliches Signal an den Markt: „Proptech ist von einem Nice-to-have zu einem Must-have für Immobilienkonzerne geworden. Es befindet sich zunehmend mehr Wagniskapital im Umlauf.“ Das ermögliche vielen Gründern, ihre Unternehmen erfolgreich am Markt zu platzieren und die Finanzierung für die ersten Jahre zu sichern, so die Expertin.
Aber nicht nur das steigende Investoreninteresse spreche für den Erfolg der Proptechs, sondern auch die Innovation, die sie anstoßen. Der Druck auf die Bau- und Immobilienbranche sei durch die ESG-Regulatorik und die Anforderungen zur Dekarbonisierung deutlich gestiegen, betont Schlesinger. Da Proptechs gerade hier Lösungen bereitstellen, sei das für sie eine „riesige Chance“.
Kapitalgeber kämen mittlerweile aus den unterschiedlichsten Branchen, berichtet Florian Frey, CEO und Gründer der digitalen Plattform allmyhomes, über die Eigentumswohnungen vermarktet werden. „Man möchte ein Stück vom lukrativen Immobilien-Kuchen.“ Zu den namhaften Investoren gehörten nach wie vor Proptech1 Ventures, Picus und Earlybird.
„Aktuell befindet sich viel Geld im Markt und die Investoren müssen sich regelrecht um die guten Start-ups bewerben“, sagt Michael Peter, Gründer und Geschäftsführer der Investment-Plattform Rivus Capital, die in junge Unternehmen investiert. Gründer erwarten laut Peter einen strategischen Mehrwert, „wie ihn beispielsweise Investoren mit eigenem praktischen Immobilien-Hintergrund liefern können“. Hierzu zählen unter anderem Branchen-Know-how im Bau oder ein Netzwerk von Hausverwaltungen.
Viele Proptechs entstehen laut Peter gerade erst und benötigen noch ein paar Jahre bis zum Reifegrad. Andererseits sind im Markt bereits gewisse Konsolidierungstendenzen zu erkennen. Der von Blackprintpartners herausgegebene Proptech Start-up-Report zeige entsprechende Entwicklungen auf, so Schlesinger: „Mit dem steigenden Wagniskapital gehen erste Anzeichen der Konsolidierung des Sektors in Form von negativem Wachstum bei den Neugründungen und nicht mehr sprunghaftem Anstieg der Proptech-Anzahl insgesamt einher.“ Mehr Wagniskapital führe dazu, dass sich einige Unternehmen dominanter positionieren könnten. „So wird Wettbewerb entweder verdrängt, oder aber es stehen Mittel für den Aufkauf von Wettbewerbern zur Verfügung. Beides führt – ob Marktabgang oder Merger – zu Konsolidierung.“
Dies sei schon im vergangenen Jahr zu spüren gewesen. Ein Beispiel für einen strategischen Exit war laut Schlesinger im Sommer 2021 die Übernahme des auf die Digitalisierung des Vermietungsprozesses spezialisierten Softwareanbieters Wohnungshelden durch Aareon. Auch die mehrheitliche Übernahme von Zenhomes, dem Unternehmen hinter der Marke Vermietet.de, sei ein gutes Beispiel für die Konsolidierung der Branche. Das Unternehmen gehört nun zu Scout24 mit dem digitalen Marktplatz ImmoScout24.
Neben den Übernahmen gibt es Beispiele für Fusionen, wie der Deal der beiden Softwareunternehmen Immomio und DIT im vergangenen Spätsommer. Durch den Zusammenschluss entstand Deutschlands größtes Proptech in der Wohnungswirtschaft mit über 1,4 Millionen verwalteten Mieteinheiten.
Wie Schlesinger erwartet auch Rivus-Capital-Gründer Peter eine Konsolidierung – allerdings erst in den nächsten Jahren, wenn eine zunehmende Marktdurchdringung bei den Kunden gestartet ist. „Bis dahin sehen wir viele Möglichkeiten, in spannende Bereiche rund um die Immobilie und in verwandte Themen zu investieren. Mit fortschreitender Digitalisierung und potenziellen Disruptionen sehen wir gute Renditemöglichkeiten.“
Der allmyhomes-CEO Frey, beobachtet eine Konsolidierung in einem anderen Bereich der Immobilienbranche: auf der Makler-Seite. Die ergebe sich durch den Vorstoß der Hybridmakler, die digitale Technologien mit der persönlichen Beratung kombinieren, und andererseits durch die großen Portale wie Immoscout. „Diese drängen immer stärker in den sogenannten ‚Secondary Market‘ und versuchen, über digitale Tools und den Einkauf von Know-how die Makler für sich zu gewinnen.“ Frey erwartet den größten Konsolidierungsschub, „wenn der Markt sich dreht und die Spreu sich vom Weizen trennt. Digitalisierung spielt hierbei eine große Rolle und fungiert als Katalysator.“
Für Schlesinger ist klar, welche Proptechs in einem sich konsolidierenden Markt am Ende die Nase vorne haben und sich am Markt etablieren: „Es werden vor allem diejenigen sein, die das Pitch- Ballett und das Venture-Capital-Einmaleins am besten beherrschen und so das meiste Geld auf sich vereinen können.“
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