
22 Jun „Kaum Projekte unter 7.000 Euro“
DITION METROPOLREGION NÜRNBERG
von Roswitha Loibl
Unternehmerrunde Wohnen: Vier Marktexperten der Metropolregion sprechen über Preise, die weiter steigen, über Standorte, die sich entwickeln, und über schwierige Behördenkontakte.
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Wenn eine Stadt Einwohner verliert, dann muss das kein Drama sein. Seit 2019 geht die Bevölkerungszahl in Nürnberg leicht zurück: Statt rund 535.900 Menschen Ende 2019 wohnten zwei Jahre später nur noch 530.200 in der Stadt. Allerdings gab es in den vergangenen drei Monaten des Jahres 2021 wieder ein leichtes Wachstum. In Erlangen stieg die Einwohnerzahl von Ende 2019 bis 2021 leicht an, in Fürth stagniert sie weitgehend.
Die Marktexperten der Unternehmerrunde sehen darin keinen Grund, sich Sorgen, um ihr Geschäft zu machen. „Wenn es in einem Jahr einmal eine Delle bei der Einwohnerzahl gibt, dann heißt es nicht, dass der Wohnungsmangel aufgeholt wurde“, sagt Andreas Zeitler, Niederlassungsleiter Bayern von Instone Real Estate. Dr. Sebastian Greim, Geschäftsführer von Eckpfeiler Immobilien Nürnberg, vergleicht die Entwicklung mit anderen deutschen Großstädten und stellt fest: „Es gab in der Corona-Zeit überall einen Trend ins Umland.“ „Der Druck auf die Städte wird extrem hoch bleiben und sich sogar noch erhöhen“, erwartet Michael Peter, geschäftsführender Gesellschafter der P&P Gruppe.
Der Nachschupp an Wohnraum fällt jedenfalls weiterhin zu mager aus. Andreas Zeitler zitiert eine Stunde des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln vom vergangenen November, in der es heißt: „Von den kreisfreien Städten entwickelte sich der Wohnungsbau besonders schwach in Nürnberg und Fürth, obwohl dort Wohnungsmangel vorherrscht.“ Besonders niedrig war die Bautätigkeit in Fürth, wo nur 70 Prozent des Bedarfs fertiggestellt wurden, in Nürnberg waren es 92 Prozent. Ganz anders sieht es in Erlangen aus, wo das IW eine Überdeckung feststellte.
Aber ob Über- oder Unterdeckung: Die Kaufpreise für Wohnungen steigen überall, und nicht einmal mehr außerhalb der Stadtgrenzen kann man dem entgehen. „In den vergangenen Monaten sind die Preise im Umland überproportional gestiegen“, sagt Michael Zagel, geschäftsführender Gesellschafter vom Sollmann + Zagel. In den Städten setzten sich der leichte Aufwärtstrend kontinuierlich fort. Zagel hat die Kaufpreise in allen Baualtersklassen analysiert und kommt zum Ergebnis: Vom letzten Quartal 2021 auf das erste Quartal 2022 ging es in Fürth um ein Prozent nach oben, in Erlange um zwei und in Nürnberg um drei Prozent. Die Mieten erhöhten sich überall um zwei Prozent.
Die absoluten Zahlen für Neubauobjekte können die Projektentwickler in der Runde beisteuern. Dr. Sebastian Greim sieht für Nürnberger Wohnungen bei aktuellen Projekten im Einzelbetrieben guten, aber nicht herausragenden Lagen und mit drei bis vier Zimmern – den Preis inzwischen bei 8.200 bis 8.400 Euro pro
Quadratmeter plus 34.000 bis 38.000 Euro für einen Tiefgaragenplatz. Andreas Zeitler bestätigt das und fügt an: „Aktuell gibt es am Nürnberger Markt kaum Projekte, die unter 7.000 Euro pro Quadratmeter angeboten werden.“
Im Globalverkauf liegen die Preise darunter. Michael Peter sieht eine Spanne von 6.800 bis 7.800 Euro pro Quadratmeter, plus Tiefgarage, und sagt: „Die Nachfrage von institutionellen Anlegern ist hoch. Die Objekte müssen aber mindestens den Standard KFW 55 erfüllen.“
Für Privatleute wird die Finanzierung solcher Summen immer schwieriger, wie Michael Zagel zu berichten weiß: „Bei einem Neubauprojekt mit 20 Häusern mussten vier Familien vom Kauf zurücktreten, als im Januar die KFW- Förderung getoppt wurde.“ Er sieht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Käufern: „Die einen haben genügend Eigenkapital und kaufen eine Immobilie, weil sie sie emotional anspricht; dort lassen sich Preise erzielen, die über dem Erwarteten liegen. „Die anderen bekämen es zu spüren, dass die Banken höhere Eigenkapitalanforderungen haben – „aber die Bank bezahlt keine Emotionen.“
Das schlägt sich auf den Zeitraum zwischen Erstkontakt und Vertragsabschluss nieder: „Die Vermarktung verlangsamt sich teilweise, da einige Banken bei der Finanzierung kritischer geworden sind“, hat Andreas Zeitler festgestellt. Zudem warnt er: „Die Mieten bilden aktuell nicht die Entwicklung der Wohnungs- Verkaufspreise ab.“ Trotzdem hält Sebastian Greim im Neubau Mieten unter der 16-Euro-Schwelle für möglich, abhängig von Lage und Größe. Allerdings gibt Michael Peter angesichts der steigenden Energiekosten zu bedenken: „Der langfristige Effekt der zweiten Miete ist noch nicht angekommen. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel.“
Zinshäuser schwierig zu verkaufen
Peter erwartet eine „extrem gefährliche Konstellation, da die Kosten steigen, die Preise aber tendenziell rückläufig sind“. Die stark steigenden Heizkosten sieht auch Michael Zagel mit Sorge. Sie seien für manche Mieter schwer zu tragen, was auch Folgen für die Eigentümer von Zinshäusern habe: „Die Mieten können nicht angehoben werden, was die Renditen schmälert. Dazu kommen die steigenden Zinsen.“ Daher sei es zurzeit schwieriger als früher, Käufer für Zinshäuser zu finden.
Eine „massive Schmälerung der Rendite“ erwartet Sebastian Greim auch angesichts der künftigen CO₂ – Abgabe und der steigenden Zinsen. Bisher waren Kapitalanleger starke Treiber auf dem Wohnungsmarkt in der gesamten Metropolregion, sodass sich sogar in Bayreuth Quadratmeterpreise von 5.500 Euro erzielen ließen. „Ich hätte nicht geglaubt, dass das geht“, meinte er. Aber diese Entwicklung könnte nun ein Ende finden.
Welche Wohnungsgrößen sind zurzeit besonders gefragt? Das hängt von der Investorenzielgruppe ab. „Wir haben Globalinvestoren im Blick und haben uns daher bei Kilian Eins gegenüber der Neuen Mitte Thon für kompakte Zwei- und Dreizimmerwohnungen entschieden“, berichtet Sebastian Greim. Das sei im Produkt etwa defensiver und variabler als die Einzimmer – Apartments, bei denen jedoch auch in 2021 eine gute Nachfrage zu verzeichnen war. Beispiele sind das Instone – Projekt an der Nürnberger Stephanstraße mit 459 Einheiten, das als Forward Deal verkauft wurde, sowie die 169 Mikroapartments von GBI im Nürnberger Stadtteil Schweinau, die kürzlich an Catella gingen.
Michael Peter kann den kleinen Wohnungen durchaus etwas abgewinnen: „Es sind Kapitalanlageprodukte, die ein riesiges deutschlandweites Käuferfeld finden.“ Er sieht jedoch eine Verdrängung bei der Mieterfindung: „Objekte die vor acht oder neun Jahren gebaut wurden, tun sich in der Vermarktung schwerer als neue“. Wenn man allerdings Familien in der Stadt halten wolle, dann wären mehr Vierzimmerwohnungen nötig. „Wir nehmen wahr, dass Kunden nach diesen Wohnungen fragen“, berichtet Andreas Zeitler.
Senior Management Programm, Immobilien Manager Verlag
Beim großen Nürnberger Stadtentwicklungsprojekt Lichtenreuth sind bisher rund 40 Prozent der Wohnbauflächen im Modul 1 verkauft. In der Expertenrunde herrschte eine gewisse Zurückhaltung. „Das Preisniveau der Grundstücke ist hoch, man tut wahrscheinlich gut dran, den bereits in Planung befindlichen Projekten Zeit zu geben, bevor die Quantität die Qualität überholt. Lichtenreuth muss die Zeit haben, sich über realisierte Bauten Stück für Stück zu entwickeln“, meint Sebastian Greim. „In den Köpfen der Endkunden ist das Areal noch nicht angekommen“, hat Michael Zagel festgestellt.
In Zirnhof, das direkt an Nürnberg und Fürth angrenzt, hat die P&P Gruppe ein acht Hektar großes ehemaliges Industri-Areal erworben. Wie charakterisiert Michael Peter den Standort? „Familien ziehen sehr gerne dort hin. Es gibt aber kaum Angebot.“ Das Partnerunternehmen Bayiko hat dort aktuell knapp 50 Wohnungen im Vertrieb, „sie verkaufen sich sehr gut“.
Wie aufgeschlossen steht die Stadt Nürnberg der Konversion ehemaliger Industrie-Areale gegenüber? Die Projekte Seetor, Carlina Park oder Luitpoldviertel sind Beispiele dafür, dass es bisher gut klappte. Aber das sei alles noch unter dem früheren Oberbürgermeister und Stadtrat genehmigt worden, gibt Sebastian Greim zu bedenken. „Seither hat der Drive nachgelassen und auch der öffentliche Gegenwind zugenommen.“
Beschleunigen von Bauanträgen funktioniert nicht
Was seit 2020 definitiv problematischer geworden ist: Der Umgang mit den Behörden, die im Corona-bedingten Homeoffice arbeiten. „Es ist schwierig geworden, Mitarbeiter zu erreichen“, sagt Michael Peter, was nicht nur auf Nürnberg, sondern auch auf Fürth zutreffe. Auch die Zusammenarbeit der Abteilungen untereinander habe sich in Nürnberg verschlechtert, so die Erfahrung von Sebastian Greim – immer mehr Einzelinteressen der Fachstellen bei geringerem Willen zum lösungsorientierten Konsens. „Weder Qualität noch Geschwindigkeit sind besser geworden“, bedauert Michael Zagel. Von einer positiven Erfahrung kann Andreas Zeitler berichten: „Wenn man große Runden benötigt, dann lässt sich das im Online- Format wesentlich schneller organisieren als früher“.
Auf ein neues Instrument, das Bauprojekte beschleunigen soll, ist die Runde nicht gut zu sprechen: die Genehmigungsfiktion, die seit einer Änderung der bayrischen Bauordnung für Bauanträge gilt, die ab dem 1. Mai 2021 eingereicht wurden. Die Behörde hat nun nur noch drei Wochen Zeit, um auf einen neu eingereichten Bauantrag zu reagieren. Im Prinzip beginnt danach eine dreimonatige Frist zu laufen. Wenn die Behörde in dieser Zeit keine Einwände vorbringt, gilt der Antrag als genehmigt.
„In den eingereichten Bauanträgen wird nach Nichtigkeit gesucht, es werden plötzlich Dinge beanstandet, die seit 30 Jahren nicht moniert wurden“, beschreibt Michael Peter. Die Beanstandungen helfen der Behörde dabei, ihre eigene Bearbeitungsfrist zu verlängern. „Wir reichen deshalb Bauanträge drei bis vier Mal ein. Die Genehmigungsfiktion ist falsch und bindet unnötig Kapazitäten“, so Peters Resümee. Damit benennt er ein Problem, mit dem die Metropolregion nicht allein dasteht. Was in der Theorie funktioniert, klappt in der Praxis nicht unbedingt.
Teilnehmer
Unternehmerrunde Nürnberg
Wohnen 2022
Dr. Sebastian Greim
Geschäftsführer Eckpfeiler Immobilien Nürnberg
Michael Peter
Geschäftsführender Gesellschafter, P&P Gruppe
Michael Zagel
Geschäftsführender Gesellschafter, Sollmann + Zagel
Andreas Zeitler
Niederlassungsleiter Bayern, Instone Real Estate
Moderation
Roswitha Loibl
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